Geschichte der Nutzpflanzen

Bei einem Abstecher in die Vegetationsgeschichte lässt sich entdecken, welche Nutzpflanzen unsere Vorfahren in Mitteleuropa - von der Steinzeit über die Römerzeit bis in das Mittelalter - auf ihren Äckern und Feldern anbauten.
Die angelegten Feldstücke sind jeweils in unterschiedlich große Parzellen aufgeteilt, deren Flächen die die aus den archäologischen Ausgrabungsbefunden bekannten Mengenverhältnisse der Pflanzenarten annähernd widerspiegeln.

In den älteren Kulturepochen, der Mittel- und Altsteinzeit lebte der Mensch als Jäger und Sammler. Er ernährte sich von dem, was ihm die Natur bot. Diese Jahrtausende lang ausgeführte Wirtschaftsweise hatte im wesentlichen keine negativen Auswirkungen auf das natürliche Vegetationsgefüge; der Mensch war selbst ein Teil der Natur.

Jungsteinzeit, ca. 4500 bis 1800 v. Chr.

Die Anfänge des Ackerbaus in Mitteleuropa bewirkten aber einen entscheidenden Wan­del in der Lebens- und Wirtschaftsweise des Menschen: Der Mensch wurde sesshaft und griff aktiv in das Naturgeschehen ein, indem er seine Nahrung selbst anbaute.

Die europäische Ackerbaukul­tur hat ihren Ursprung im Vorderen Orient (einem Gebiet, das "Fruchtbarer Halbmond" genannt wird), wo viele Wildgetreidearten beheimatet sind. Früchte wurden schon lange als Nahrungsmittel gesammelt. Seit der Zeit von 5000 bis 6000 v. Chr. begann man mit dem gezielten Wildgetreideanbau in der Nähe der Sied­lungsplätze. Er breitete sich innerhalb von etwa 3 Jahrtausenden nach Westen aus und er­reichte Mitteleuropa etwa um 4500 v. Chr.

Bronzezeit, ca. 1800 bis 800 v. Chr.

Besonders in Süddeutschland wurde Dinkel von der Bronzezeit bis ins Mittelalter hinein reichlich angebaut, vor allem auch in klimatisch ungünstigen Gebieten, die sich für Weizenanbau nicht eignen. Zu der schon in der Jungsteinzeit angebauten Ris­penhirse tritt jetzt auch die Kolbenhirse hinzu.

Erstmals tauchen in geringen Mengen Hafer und Roggen auf - zuerst wohl nur als "Unkraut" in den Feldern mitgeerntet, werden sie erst in späterer Zeit wichtige Getreidearten. Neben Hülsenfrüchten, Gewürz-, Heilpflanzen kommt Flachs bzw. Lein vor. Als Faserpflanze gehört der Lein zu den ältesten technisch genutzten Kulturpflanzen überhaupt. Er wurde schon vor 7000 bis 8000 Jahren von den Sumerern und Ägyptern angebaut und verwen­det. Bei uns wird diese vielfältig ver­wendbare Pflanze seit der Jüngeren Steinzeit kultiviert und machte Deutschland beispiels­weise im 16. Jahrhundert zu einem der wichtigsten Länder im europäischen Textilhandel.

Die Erzgewinnung spielt in der materiellen Kultur der Bronzezeit eine noch wichtigere Rolle als in der vorangegangenen Kupferzeit: Allein im Salzburger Land sollen insgesamt um die 50 000 Tonnen Kupfererz verhüttet worden sein. Die Verarbeitung erfolgte in Schmelz­hütten mit Hilfe von Holzkohle, besonders in Südeuropa, im südlichen Mitteleuropa und im Harz. Bronzeware wurde von hier aus weit transportiert und verhandelt. Dies lässt nicht nur auf sehr große Rodungsflächen, sondern auch auf Fernkontakte und gut ausgebaute Handelswege schließen.

Römerzeit, bis 260 n. Chr.

Dem Dinkel als wichtigstes Getreide folgen Emmer, Saat-Gerste, Roggen  und in geringen Mengen Hirsen und Saat-Weizen. Die Hülsenfrüchte Erbse, Linse und Ackerbohne werden nach wie vor angebaut, sind hier aber nicht alle gezeigt. Die Ölfrüchte sind durch Lein, Leindotter und Mohn vertreten.

Sehr vielfältig war bei den Römern der Bestand an Gewürz-, Gemüse- und Salat­pflanzen, von denen etliche erst als "romanischer Import" in unsere Heimat eingeführt wur­den und bis heute in der Küche Verwendung finden. Zu diesen gehören Dill und Koriander. Auch die Gemüsearten Gar­tenmelde, Schild-Ampfer und Grüner Fuchs­schwanz wurden erst von den Römern in größerem Stil kultiviert.

Auch ehemals wichtige Färbepflanzen sind zu sehen, die die von frühge­schichtlicher Zeit bis zum Industriezeitalter die zum Textilfärben notwendigen Farbstoffe lieferten. Bis zum Beginn des technischen Zeitalters wurden in manchen Gegenden Färbe­pflanzen in großem Maßstab angebaut. Mit der Einfuhr pflanzlicher Farbstoffe aus den Tropen und nach der Entwicklung synthetischer Farbstoffe im letzten Jahrhundert verloren die Färbepflanzen an Bedeutung.

Eindrucksvoll beschreibt Cäsar in sei­nem "bellum gallicum" (58-50 v.Chr.) die Landschaften des von den Römern eroberten Westeuropas. Die landwirtschaftlich genutzten Flächen zusammen mit Siedlungen und Verkehrsverbindungen nahmen einen sehr großen Anteil ein. Botanischen Funden zufolge müssen mindestens etwa 50% der Fläche von West- und dem südlichen Mitteleuropa bereits gerodet gewesen sein. Ihr Nutzholz bezogen die Römer aus Expeditionen in das freie Germanien – auch ein Hinweis auf das Ausmaß der bereits erfolgten Dezimie­rung der Wälder.

Mittelalter bis Neuzeit

Hier ist eine Auswahl von im Mittelalter häufig angebauten Pflanzenarten zu sehen, die zum Teil heute noch für unsere Ernährung bedeutsam sind.

Roggen, Dinkel, Hafer, Öl- und Faserpflanzen wurden angebaut sowie Buchweizen, eine Mehlfrucht, die früher eine große Bedeutung hatte. Die Heimat der Buchweizenarten sind die Steppengebiete Zentral- und Ostasiens. Die Nutzung des Buchweizens geht in China sehr weit zurück, die ältesten in Europa bekannten Funde werden auf etwa 600 v.Chr. datiert. In Deutsch­land wurde er erst im 15. Jahrhundert angebaut. Der Buchweizen gedeiht auch auf nährstoffarmen Sand- und Moorböden, benötigt allerdings er ein gewisses Maß an Sonnenwärme. Heute ist die wirtschaftliche Be­deutung des Buchweizens weitgehend erloschen

Auf kleineren Beeten sind weitere Mehlfrüchte (Hirsen, Emmer und Gerste), Kohl- und Rübenarten sowie etliche Gewürz- und Salatpflan­zen zu sehen. Viele davon sind heute noch Bestandteil unserer Kräuter- und Gemü­segärten, wenn auch oft in neuen, leistungsfähigeren und geschmacklich verbesserten Sor­ten.

Bevor es Saatgutreinigung und Unkrautbekämpfungsmaßnahmen gab, boten besonders die Wintergetreide­felder vielen hübschen "Unkräutern" Lebensraum. Heute sind durch Intensivierung der Anbaumethoden, Herbizideinsatz usw. die meisten dieser Pflan­zenarten aus der Feldflur verschwunden.

Diese im Aussterben begriffenen Ackerwildkräu­ter zu erhalten, gehört mit zu den Aufgaben der Botanischen Gärten. Deshalb wurden hier in die kleinen Getreidestücke einige der hübschesten Wildkräuter aus­gesät, wie Kornrade, Kornblume, Klatschmohn, Sommer-Adonisrös­chen, Venus-Frauenspiegel, Feldrit­tersporn, Acker-Meister, Ackerröte und Großblütiger Breitsame.

Um 1080 bis 1380 n. Chr. vollzog sich in Europa und auf dem Nordatlantik eine beachtli­che Besserung zumindest der Sommerwitterung. Diese Periode wird als Mittelalterliches Klimaoptimum bezeichnet. Im August war es etwa 2.0°-2.5°C wärmer als in der Zeitphase davor und etwa 1,5°C wärmer als heute. Das sind Werte, wie sie heute beim weiteren Anstieg der CO2-Gehalte der Atmosphäre befürchtet werden. Diese Temperaturen in dieser Zeit erlaubten sogar Weinanbau in Südengland und die Be­siedlung Grönlands ("Grünland"). In der sogenannten Kleinen Eiszeit, ca. 1550 bis 1850 n. Chr., ging die Temperatur wieder zurück, und diese Siedlungen mussten wieder aufge­geben werden. Die mittelalterliche Warmzeit begünstigte kulturgeschichtlich bedeutsame Vor­gänge: die europäische Ostsiedlung im Mittelalter und die Rodung vieler großer Mittelgebirgs-Waldland­schaften und Flachländer bis weit nach Weißrussland hinein.

- Brache -

Die auf den Feldstücken kultivierten Nutzpflanzen und Un-/Beikräuter sind ein besonders wertvolles Anschauungsmaterial vergangener Zeiten.

Ab der Eisen- und Römerzeit hatte man mit Kalkung und Düngung begonnen und die Dreifelderwirtschaft eingeführt. Während der Jungsteinzeit und der Bronzezeit verla­gerte man noch regelmäßig die Felder und ließ das Vieh in der Brache grasen.

Um einem breiten Publikum weiterhin die Vielfalt der interessanten Pflanzen zeigen zu können und um die prähistorischen Felder zu erhalten, wird im Botanischen Gar­ten nach dreijähriger Nutzung ein Jahr der Gründüngung (Brache) eingeschoben. So können sich die Böden erholen. 

Wir bitten die Be­sucher dann um Verständnis – im jeweils nächsten Jahr werden die Felder wieder nach den wis­senschaftlichen Vorgaben bestellt.